Lack, Leder, Latex – Ein Gedicht

Das schummrige Licht des Clubs umschmeichelte ihre Silhouette in sanften, dunklen Farbtönen. Fließend bewegte sich ihr gesamter Körper zu den tiefen Bässen der Musik. Sie tanzte gerade nur für sich selbst.

Das zeitweilige Aufblitzen eines der helleren Scheinwerfer zauberte zaghafte Lichtspiele auf ihre scheinenden Schenkel. Das Leder ihrer eng geschnittenen Jeans spannte sich glänzend ohne die leiseste Falte um ihre wohlgeformten Beine – eine dunkle, glatte, zweite Haut.

In einer einzigen, geradezu wollüstigen Bewegung drehte sie sich nun langsam, wie in Zeitlupe, um die eigene Achse und gab freimütig den Blick auf ihre Rückseite preis. Zwei pralle Halbmonde in makellosem schwarz schimmerten durch den Raum und fingen die Blicke der meisten.

Lack, Leder, Latex – Ein Gedicht

Rhythmisch kreiste nun ihr Becken langsam im Takt, beschrieben ihre ausladenden ledernen Lenden anmutige Achten. Das perfekt geformte Gesäß konnte von der heißen Hülle kaum gebändigt werden.

Und ihm blieb nichts, als zu starren…

Lack, Leder, Latex – Ein Gedicht

Er hatte es schon seit Jahren, dieses brennende Verlangen.

Wann immer der optische, manchmal auch der haptische Reiz in sein Nervensystem eindrang, stieg die Wollust wogend in ihm auf. Er konnte nichts dagegen tun, die Erregung griff nach ihm, überfiel ihn, nistete sich ein in jedem einzelnen Lustzentrum seines Gehirns.

Es machte ihn unsagbar geil, man konnte es nicht wegdiskutieren. Zuverlässig wie eine Stechuhr reagierte seine Libido auf den ungewöhnlichen Input, ohne dass er eine offenkundige Erklärung dafür parat gehabt hätte.

Schon seit er überhaupt sexuelles Verlangen verspürt hatte, war auch jene Neigung in ihm wach gewesen, hatte ihn stets begleitet.

Und er nahm wahr, dass es sich dabei nicht um etwas handelte, was im Allgemeinen als „normal“ durchging. Vielmehr war es anders, deviant, eine Abweichung von dem allgemeinen Konsens, welche Spielarten der Lust alltäglich waren, welche als schmutzige Geheimnisse durchgingen und welche der Liebe – und wenn auch nur der körperlichen – zu“wider“ liefen.

„Wider“ – „Para“

„Philie“ – „(Vor)Liebe“

„Wider die Vorliebe der meisten“, mehr wurde durch die Kategorie der Paraphilie nicht ausgedrückt, in der er sich plötzlich eingeordnet, katalogisiert, in der Schublade sauber verstaut, vorfand.

Und doch – man durfte, man konnte, man wollte nicht darüber reden. Ein Austausch fand nicht statt, nie, zu keiner Zeit.

Zu groß war die Angst. Die Angst vor der Scham. Die Scham ob der Andersartigkeit.

Er wollte, er konnte, er durfte nicht darüber reden.

Aber schreiben… das ging…

Lack, Leder, Latex – Ein Gedicht

Schon vom ersten Moment an gibt’s kein Zurück

Er kann das nicht lassen, genießt diesen Kick

Und das geile, das glatte, das glänzende Glück

Es nimmt ihn gefangen, es fesselt den Blick

Das Verlangen ist in ihm, schreit in ihm laut

Nach Kunst und nach Stoff und nach Haut auf der Haut

Die gewundene Rundung, in Enge verstaut

Seit frühester Jugend befremdlich vertraut

Seit dem ersten Begreifen will er das nur

Mit wilder Begierde taktiler Natur

Visueller Natur, auditiv eine Spur

Ja, selbst der Geruch ist geliebte Tortur

Ihm geht’s nur um die Hülle, sie ganz allein

Schmiegt straff sich an Schenkel – bändigt das Bein

Und lädt dann bei jeder Bewegung ihn ein

Dem Außen ganz inniglich nahe zu sein

Das was ihn so erregt, dieses Material

Das stärker als Stoff ist und glatt wie ein Aal

Wird von wenig Erfahrenen oft ganz banal

Ad Acta gelegt nur zur lustvollen Qual

Woher das nun kommt, dieser Dreck, dieser Schund?

Ödipaler Konflikt? Gehirn nicht gesund?

Oder ist er ganz einfach – und das ist der Grund –

Ein androgefräßiger pawlow’scher Hund?

Denn es ist immer nur Er, fast nie ist es Sie

Mit der außergewöhnlichen Sex-Phantasie

Und schmerzlich bewusst wird ihm: „Nie wirst Du, nie

Sie loswerden können, die Paraphilie!“


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