Dunkle Gemächer des Geistes

Kleidung. Rosa, beige, hellblau, weiß… vor 3 Jahren hätte sie diese Farben nie getragen. Jetzt sah sie in die riesige Tasche mit Pullovern und T-Shirts, die so waren wie eine leichte Sommerbriese…

hell, freundlich… unschuldig. Wie hatte ihr bester Freund noch gesagt: Du bist noch genauso verrückt wie früher, nur erkennt man es jetzt nicht mehr gleich… wie wahr.

Ihre Tarnung war perfekt. Wer sollte auch wissen, dass sich hinter der Fassade der charmanten, redegewandten und durchaus attraktiven jungen Frau etwas verbarg, was man als dunkle Gemächer des Geistes bezeichnen könnte? Sie war im Grunde ihres Herzens schüchtern, doch das merkte man erst spät oder auch nie. In ihren Gedanken verbargen sich dicke Stricke an nackten Gelenken, in Wasser geweichte Lederpeitschen, enge Korsagen, lange Röcke und hohe Schuhe, auch weniger klischeehafte Vorstellungen, sowie die unterschiedlichsten „Sirs“ und „Ladies“; verschwommen, schemenhaft… ihre engsten Freunde wussten um manche dieser Gedanken…

Dunkle Gemächer des Geistes

doch nicht, wie ernst sie es meinte. Immer wieder malte sie sich aus, wie sie IHN traf, was er mit ihr tat, wie er ihre geheimsten Gedanken und Wünsche erahnte, auch die, von denen sie nicht wusste, dass sie existierten… doch was tun, wenn sie ihn wirklich traf? Würde sie sich nicht schämen, sich lächerlich vorkommen? Würde sie nicht Angst um ihr Selbstbewusstsein, ihre Eigenständigkeit haben? Konnte er sie lieben und nicht, sie verachten? Diese Befürchtungen wahren stark und so entschloss sie sich, gekleidet wie das hellste Geschöpf dieser Zeit, ihr innerstes Wesen auf die einzige Art auszuleben, die ihr möglich war: In Form von Geschichten…

1.

Es war unerträglich heiß. Der Sommer, den eigentlich niemand mehr erwartet hatte, feierte seinen Antritt mit einer Hitzewelle, die ihresgleichen suchte.

Und jetzt hatte sie auch noch einen platten Reifen. Der leichte Rock klebte an ihren feuchten Beinen, das Trägershirt war eigentlich auch zuviel, und zum ersten Mal wünschte sie sich, nichts darunter zu tragen.

Ihre Gedanken flossen träge dahin, während sie ihr Rad neben sich herschob, verweilten manchmal kurz und sprunghaft bei der gerade erlebten Gesangsstunde, passten sich jedoch meist dem Potpourri aus gedämpften Geräuschen der Stadt an, wo nur manchmal das Plätschern des Torfkanals oder das Hupen eines entnervten Autofahrers heraus zu hören war. Eva freute sich auf den schattigen Park, auf das sanfte Flüstern der dichten, dunkelgrünen Blätter, die schwer an ihren uralten Besitzern, den Bäumen, seufzten… kaltes Wasser, mit ein paar verlorenen Eiswürfeln, die leise klirrten…

Dunkle Gemächer des Geistes

gedankenverloren leckte Eva sich die Lippen.

„Frau N.! Was ist mit ihrem Rad passiert? Oder schieben Sie es etwa freiwillig durch diese höllische Hitze?! Eva schreckte auf. Vor ihr auf dem flirrenden Gehsteig stand Herr H., seines Zeichens Professor der Mathematik und der Angelistik an der Universität von M. Das weiße Hemd leuchtete makellos in der Mittagssonne, das Jackett hatte er über den Arm gelegt und aus intelligenten blauen Augen, die hinter einer unauffälligen Brille verborgen waren, sah er sie forschend an. Nervös strich Eva sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, verdrängend die tausend Bilder von ihm, die zu machen sie in den Seminaren Zeit genug hatte; Bilder die alles andere als Wissenschaft zeigten, andere Worte, härter, als dass man sie im Alltag auch nur in den Mund nehmen würde…

„Ich, äh, Guten Tag Herr H., ich ähm…

stammelte Eva. Erst da bemerkte Sie seinen Begleiter. Vom Kleidungsstil ähnlich, ebenso perfekt, hatte er doch dunkles Haar und dunkle Augen. Seine Hände waren nicht so feingliedrig wie die seines Freundes; sie wirkten grober, kräftiger; bestimmt könnten sie sich wie Stahl um ihre Handgelenke schließen…

Mühsam riss Eva sich von ihnen los. Sie sah ihn an. Das auffälligste war seine Mimik. Sie war absolut arrogant, zeigte eine Selbstsicherheit, die viel mehr als nur das war, und sie hatte seine Züge geprägt.

Eva leckte sich erneut die Lippen. Ihre Kehle war trocken.

„Darf ich vorstellen?“ sagte Herr H. nun, „Frau N., dass ist Herr F., Professor Literaturwissenschaft, D., Frau N., eine Studentin von mir. Sie hilft bei der Konferenz.“

„Guten Tag Frau N., sehr erfreut Ihre Bekanntschaft zu machen“.

Seine Stimme war dunkel, Mahagoni und rauer Samt, die Worte unverhohlen ironisch; hinter seiner tadellosen Höflichkeit und Kultiviertheit lauerte etwas Wildes, Ungezähmtes. Er sah sie unverwandt an, und sie war sicher, er las jeden ihrer Gedanken. Eva wandte sich ab. Eine Hitzewelle durchfuhr sie.

Über ihre Schläfe rann eine Schweißperle ihren Hals herab, bevor sie in dem tiefen Decolté verschwand. Sie bemerkte, dass beide sie immer noch ansahen. Fordernd. Wartend.

„Sie sehen aus, als könnten Sie etwas zu trinken vertragen,“ ließ Herr H.

sich wieder vernehmen. „Vielleicht kriegen wir ja auch Ihr Fahrrad wieder hin. Was meinst du D., können wir einen weiteren Gast bewirten?“ Zu Eva gewandt fragte er: „Und, was ist, kommen Sie mit?“ Bevor sie jedoch antworten konnte, sagte Herr F. schon im Gehen: „Natürlich kommt sie mit.

“ Eva stutzte, wollte widersprechen. Doch beide Männer nahmen sie in ihre Mitte, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, und sie wollte sich nicht wehren, warum auch, es war so angenehm, nicht entscheiden zu müssen. In diesem Moment hätte sie umkehren können, dies war der oft zitierte Scheideweg- doch sie war es müde gegen etwas anzukämpfen, was tief in ihr drinnen wohnte, schon seit so langer Zeit. Eine zarte Ranke, die aus den dunkleren Gemächern ihrer Seele empor wuchs, welche nun stärker und stärker ans Tageslicht drängte.

Eva wusste nicht, was es war- ein Schatten, leicht, unbedarft- und sie ließ sich einfach treiben.

2.

Kaum angekommen, hieß Herr H. sie das Rad in dem schattigen Hinterhof abzustellen und eintreten. Sie war schon einmal hier gewesen, im Rahmen des alljährlichen Weihnachtsfestes, das der Professor jedes Semester veranstaltete. Damals war sie fast wahnsinnig geworden, weil er so kühl war, so distanziert, so…

uninteressiert. Er hatte sie kaum eines Blickes gewürdigt. An diesem Abend war der Raum hell gewesen, kaum ein Bild hing an den hohen Wänden, die nach Schnee duftende Winterluft hatte das Haus in ein Wintermärchen verwandelt. Nun hatte sich zumindest im Wohnraum nicht viel verändert, eher Kleinigkeiten, und doch…

Die Südwand leuchtete in sattem Rot, während die Wand gegenüber vollständig, von einem für Evas ungeschulte Augen antik aussehenden, Bücherregal bedeckt war.

Am erstaunlichsten war jedoch das Bild, dass die westliche Wand schmückte: Es war von Luis Royo, eines der unbekannteren, doch jemand, der sich auskannte, würde den Künstler erkennen… Eva atmete scharf die Luft ein. Solch ein Bild hängte man sich nicht einfach so hin. Das tat man nur, wenn man…

oder?

„Frau N., alles in Ordnung?“ Mühsam löste sich Eva von dem Bild und sah Herrn H. an, der sie wohl schon mehrmals angesprochen hatte.

„Was..? Oh ja, natürlich, entschuldigen Sie“, sagte Eva und setzte ihr Small Talk –Lächeln auf. Herr H. hielt ihr einen Eistee hin und forderte sie lächelnd auf, mit hinaus zu kommen.

Bevor sie in den kleinen, verwunschenen Garten trat, in dem ein kleiner Springbrunnen leise vor sich hinmurmelte, streifte ihr Blick Herrn F., der im Halbdunkel der Tür stand. Er lächelte nicht. Doch seine Augen blitzten und sein Gesicht trug einen Ausdruck, den Eva, so sehr sie sich auch bemühte, nicht deuten konnte.

Der Nachmittag verfloss, die Unterhaltung war lebhaft und drehte sich um Gott und die Welt… anscheinend unterhalte ich sie gut, dachte Eva.

Sie fühlte stolz, und kam sich beinahe lächerlich vor… doch es gefiel ihr, nur hier zu sein, in diesem Augenblick nur zu existieren, um diese zwei zu erfreuen.

3.

Sie nippte noch einmal an dem Eistee, der, als es langsam kühler wurde und die Sonne bereits blutrot am Horizont hing, ohne ein weiteres Wort zu einem Long Island Icetea geworden war. Sie hatte es achselzuckend und erwartungsvoll zur Kenntnis genommen. In diesem Moment sagte Herr F.

an Eva gewandt: „Bringen Sie mir das Buch, was gleich neben der Tür im Flur liegt. Sofort, bitte. Verduzt schaute Eva auf. „Ich…

verstehe nicht ganz..“

„Da gibt es nichts zu verstehen. Holen sie es. Und sehen Sie es sich nicht an.“ Immer noch verwirrt stand sie auf. Sie spürte wie der Alkohol bereits durch ihre Adern jagte so ging sie vorsichtig ins Haus.

Hier war es kühl, und sie bekam eine Gänsehaut. Was soll das?, dachte sie. Was fällt ihm ein, mir Befehle zu erteilen? Ach stell dich nicht so an, schalt sie sich selbst. Du wolltest es doch.

Sie griff das Buch, ohne einen Blick darauf zu werfen, genau wie er gesagt hatte. Was würde nun passieren. Würde überhaupt etwas geschehen? Sollte sie fort laufen? Unsinn, dachte sie weiter. Was soll das bringen? Und wie stehe ich dann da? Außerdem bin ich viel zu neugierig…

So trat sie wieder hinaus in den Garten.

Die Sonne war inzwischen untergegangen und Fackeln waren angezündet worden. In der Mitte des kleinen Holztisches brannte eine einzelne dicke rote Kerze und Schatten flackerten unstet, womit sie die beginnende Nacht zu etwas Unwirklichen machten. Diese Worte wurden schon unzählige Male geschrieben, doch etwas lag in der Luft. Der Beginn.

4.

Eva sah beide Männer nur undeutlich.

Herr F. winkte sie zu sich heran. „Setzen Sie sich. Wir müssen einige Dinge klären.

Zuerst: Sie haben zu gehorchen, was auch immer wir sagen. Halt, lassen Sie mich ausreden. Erzählen Sie mir nicht, dass Sie den Ablauf der Dinge nicht geahnt haben. Sie hatten unzählige Gelegenheiten zu gehen.

Dass Sie geblieben sind, zeigt mir, dass Sie es wollen und zwar alles, was mit Ihnen geschieht. Glauben Sie nicht, dass wir vorhaben Sie zu missbrauchen oder dergleichen. Alles, was wir tun, wird auch Ihnen gefallen. Egal ob Sie sich über Ihre Wünsche im Klaren sind oder nicht…

oder noch nicht. Das hat Sie nicht zu interessieren. Wie sind, sagen wir, die Erschaffer, Sie das Geschöpf. Sie stellen keine Fragen.

Ungehorsam wird bestraft. Habe ich mich klar ausgedrückt?

Eva nickte langsam. Angst war in ihr hochgekrochen und schnürte ihr die Kehle zu. Jetzt war es ernst.

Das wurde ihr blendend klar bewusst. Mit der Furcht spürte sie die Erregung. Unterwerfung… Aufgabe der eigenen Verantwortung…

mehr noch: Die Aufgabe ihres eigenen Willens. Sie blickte erst Herrn H. an, der ruhig da saß und sie erwartungsvoll ansah. Er wusste es nicht, dachte sie, ihm war bis zu diesem Moment nicht klar, wie ich reagieren würde.

Ganz im Gegensatz zu Herrn F. Es schien, als habe er bereits den Plan gekannt, bevor er geschrieben worden war. Auf einmal bemerkte sie, dass sie das Buch noch in der Hand hatte. Sie sah es an.

Es war die Bibel… was sollte das bedeuten? Was..?

Sie schaute Herrn F. an. Der lächelte warm, so dass es ihr durch Mark und Bein ging…

und tiefer, bis in ihre Seele. Dann sagte er leise: „Das sind schon mal 10. Folgen Sie mir.“ Bevor Eva fragen konnte, was er mit „10“ meinte, war er aufgestanden und ging ins Haus. Herr H.

folgte ihr. Zusammen stiegen sie eine schmale Holztreppe hinauf ins obere Stockwerk- dort war Eva noch nie gewesen. Es roch schwach nach Rosen und… Leder.

Sie kamen in einen kleinen Raum, der von indirektem Licht erleuchtet war und der bis auf eine niedrige, schwarz gestrichene Holzbank und einem großen Kleiderschrank leer war. Der Boden war ein Mosaik aus Mamorplatten und zeigte einen Engel, der über einer Frau stand, die nackt, mit nach hinten geworfenem Kopf in Verzückung erstarrt vor ihm kniete; das dunkle Haar ihre Brüste halb bedeckend. Der Engel war wunderschön, natürlich, wie sollte es auch sonst sein; sein silbernes Haar reichte ihm bis weit über die Schultern, sein Blick war ruhig und so… machtvoll.

Doch etwas stimmte nicht mit seinen Flügeln… sie waren schwarz. Noch während sich Eva in den fluroszierenden Mustern des Gemäldes verlor, hörte sie seine Stimme. „Hinter der linken Tür finden sie Ihre Kleidung.

Ziehen Sie sie an, und zwar sorgfältig und rasch. Anschließend gehen sie durch diese Tür.“ Dabei deutete er auf eine winzige, mit schwarzem Stoff überzogene Tür, die Eva in der Finsternis der Wand übersehen hatte. Bevor sie etwas erwidern konnte, war sie allein.

Zögernd öffnete sie den Schrank. Er offenbarte eine rosafarbenes Korsage, welches man mit einem Reißverschluss an der Seite schließen konnte, ohne mit den umständlichen Schnüren zu kämpfen.

Weiter standen dort sehr hohe, schwarze Lackstiefel, die bis zur Hälfte des Oberschenkels reichten, wie auch ein ordentlich zusammengerolltes Paar Nylonstrümpfe und ein schwarzer Slip. Sie betrachtete die Korsage. So ist meine „Tarnfarbe“ mir zum Verhängnis geworden dachte sie. Ihn habe ich nicht täuschen können; das Girlie hat er mir nicht abgekauft.

Langsam zog sie die ungewohnte Kleidung an, während ihr das Herz bis zum Halse schlug. Das Korsett war eng und passte… ja, perfekt. Eva sah sich nach einem weiteren Kleidungsstück um, um ihre Blöße zu bedecken.

Es gab keines.

Die morgige Geburtstagsparty ihres besten Freundes kam ihr plötzlich in den Sinn… doch das war weit fort. Sie glühte vor Hitze, ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren, doch konnte sie keine klaren Gedanken fassen…steh mir bei, dachte sie. Doch wem galt diese Bitte? Mit zitternden Fingern strich die junge Frau ihr Haar zurück und trat durch die Tür.

Ihr Blick erfasste einen riesigen Raum, dessen Ende sie nicht erkennen konnte und auch die beiden Männer sah sie nicht.

Kerzen flackerten auf aus Onyx gefertigten Haltern. An der Wand links von Ihr erkannte sie ein Gobelin, dass die gesamte Wand bedeckte. Dunkelhäutige Elfen mit weißem Haar lieferten sich dort einen Kampf mit Dämonen und Armeen von Goblins… auch hier stimmte etwas nicht..

Plötzlich spürte Eva kaltes Metall an ihren Handgelenken, und Sekunden später waren ihre Hände unbeweglich auf dem Rücken fixiert. Dann wurde es dunkel; man hatte ihr die Augen verbunden. Sie wollte etwas sagen, es doch noch aufhalten, doch in dem Moment fühlte sie, wie jemand dicht hinter sie trat.

Herr H. stand hinter ihr, das ahnte sie mehr denn sie es wusste.

Sie fühlte den rauen Stoff seiner Hose an ihren Nylonstrümpfen. Nun wurden ihr die Hände unter dem Kinn gefesselt. Sie sah aus, als betete sie zu einer bizarren Gottheit. Sie atmete in langsamen schweren Zügen.

„Lassen Sie mich gehen“, flüsterte sie, auf einmal von fürchterlicher Angst ergriffen. „Sie glauben etwas Falsches. Ich…“

„Halten Sie den Mund.“ Der Befehl duldete keinen Widerspruch. Sie spürte, halb entsetzt, dass sich eine feuchte Hitze in der Mitte ihres Körpers auszubreiten begann.

Sie stöhnte leise.

„Hab ich es nicht gesagt, K.?“ Der Angesprochene lachte leise. Wieder zu Eva:

„Lügen Sie mich nicht an. Sie wissen, dass ich es weiß. Oder soll ich es herausfinden?“ Sie gab einen Laut des Protestes von sich, doch er hielt ihr mit der linken Hand den Mund zu, während seine Rechte langsam ihre Brüste streifte, dort verharrte, bis sie wünschte, er würde zupacken, hielt den Atem an, er verharrte, um dann ihren Bauch herunterzufahren und dann, obwohl sie sich wand, eine Hand unter den Bund ihres Slips gleiten ließ, weiter, bis er gefunden hatte was er suchte.

„Aha.

So furchtbar, finden Sie das also. Vielleicht sollten wir es noch etwas furchtbarer für Sie gestalten…“ Gleich darauf fühlte Eva vier Hände an ihrem Körper, sie waren überall, und sie konnte sie nicht aufhalten. Sie fühlte sich gedemütigt und doch so entsetzlich erregt, dass… Eva stöhnte unwillkürlich, diesmal lauter.

Erschreckt fuhr sie zusammen.

„Ich glaube, es gefällt ihr zu gut, oder?“, hörte sie Herrn H. sagen.

„Ohne Zweifel“, erwiderte sein Herr F. „Sehen wir mal, was wir dagegen machen können..“

Gleich darauf fand Eva sich auf einem, jedenfalls dem Gefühl nach, Tisch wieder, die Hände zu beiden Seiten an etwas gekettet, der Oberkörper auf der Platte, unsicher auf den hohen Schuhen balancierend; die Knie wurden ihr leicht gespreizt.

„Strecken Sie die Kuppe nach oben. Worauf warten Sie?“ Fragte Herr F.

ungeduldig. Das geht zu schnell, dachte Eva panisch. Es sind doch… Professoren, fast doppelt so alt wie ich, und…

sie zuckte zusammen. Ein Hieb- von einer großen, kräftigen Hand- war auf die Hinterbacken niedergefahren. „Also? Was ist?“ fragte Herr F.

Sie tat es, zitternd vor Angst und Erregung. „ Na bitte.

Aber ich fürchte, Sie müssen Ihre Lektion noch lernen. Das nächste Mal leisten sie einem Befehl sofort Gehorsam.“ „Aber“, setzte Eva an, doch da kam schon der nächste Hieb, und 20 weiterer folgten dicht aufeinander, die letzten 10 mit einer Peitsche. Jetzt schrie Eva. Ihr liefen die Tränen herab, während sie alles heraus lies, alle Hemmungen vergaß unter dem Schmerz, sie vergaß, alles, alles, und zum ersten Mal fühlte sie sich völlig frei, frei von sich selbst und doch so sehr bei sich wie nie zuvor.

Stöhnend, voll Wonne seufzend, brach sie zusammen.

Sie spürte, wie Herr F. schwer auf ihr lag, mühsam atmend. Die Augenbinde wurde ihr abgenommen. Eva blickte auf und sah beide vor ihr stehen, den Blick auf sie gerichtet.

Voller Scham wollte sie sich abwenden, doch war wie gelähmt. Der Ausdruck auf dem Gesicht von Herrn H. war ungläubig und voll mühsam verborgenem Verlangen.

Die Augen von Herrn F. funkelten gefährlich; er konnte das Tier schwerer zähmen, als Eva ahnte; es verband sich in wunderbarer Weise mit seinem kultivierten Geist, doch…

es zerrte an seinen Fesseln.

Herr H. wandte sich ab… Ein Aufruhr nie gekannter Art tobte in ihm. Was tue ich hier? fragte er sich.

Welche Grenzen habe ich überschritten, welche werde ich noch nieder reißen? Es kann nicht recht sein, was hier geschieht. Welch Irrglaube, wir seien nun zivilisiert! Eine solches Geschöpf wie sie, unschuldig… sie denkt, sie weiß was sie tut, wenn sie Verlangen entfacht, sie will wissen, wie weit sie gehen kann… und wir, Adams Söhne, haben nur den Wunsch, sie zu brechen, ihren Widerstand mit roher Gewalt zu zerstören, die zarte Pflanze zu töten.

Wir wollen nicht fragen, was nicht heißt, wir wollten nicht zärtlich sein, wir wollen es, wenn wir es bestimmen, wir wollen keine Erlaubnis. Es geht um Besitz, um Schmerz, um Demütigung, Erniedrigung zu unserer eigenen Lust… doch nicht ohne Achtung, ohne Respekt, ohne Liebe… doch muss ich dem nicht Einhalt gebieten? Muss ich nicht…

` er konnte nicht. Sein Geist wand sich, während sein Körper nach ihr lechzte, es war ein schmerzliches Verlangen, viel, viel älter als der Mensch, dass von ihm Besitz ergriff. Er fuhr sich heftig mit der Hand durch das kurze Haar, biss sich auf die Lippen- und starrte seinen Freund und Kollegen an. Herr H.

hatte das, was heute geschah, immer geahnt, hatte die Dunkelheit gesehen, die in Herrn F. wohnte; dieser Mann war ein Herrscher, dazu geboren, dazu bestimmt, doch liebte er die dunkle Seite der Macht. Dieses hatte Herrn H. immer fasziniert; dieser Licht schluckende Schatten, die Aura der Gefahr, die von Herrn F.

ausging, hatte nicht nur auf Frauen ihre Wirkung. Bei ihnen, so dachte Herr H. weiter, wirkte sie wie ein Gift gegen jegliche falsche Emanzipation, jene die Frauen einredet, es gebe nur eine Weg, sie selbst zu sein. Diese Macht, über die Her F.

verfügte, ließ sie zu seinen Geschöpfen werden, über die er gebot, die ihm folgten, bis in die schrecklichsten Tiefen; manche, so dachte er, würden ihr Blut geben; und er hatte es schon genommen, würden ihren Tod geben…

Doch sie, Eva? In ihr wächst diese Ranke genau wie in ihm, es ist als… als, führte er sie ihrer Bestimmung zu. Sie war mehr als jede andere zuvor bereit, sich zu geben, ohne Kompromisse, ohne Scheu. Herr F.

hatte das Fenster geöffnet, ihr sanft alle Fassaden heruntergerissen, und konfrontierte sie jetzt mit dem Triebhaften, dass sie immer unter die Vernunft gestellt hatte; sie dankte es ihm mit Hingabe, er ihr mit mehr Respekt, als er je einer anderen Frau bisher gezollt hatte, das wusste Herr H.; doch auch mehr als Herr F. Eva jemals wissen lassen würde. Welche Rolle spiele ich dabei? Herr H. wusste es nicht und das war sein Schutz.

Es war ihm so möglich, dem Mann, den er so bewunderte, nahe zu sein, ohne ihm wirklich nahe zu sein. Fast mit Gewalt riss er sich von dem quälenden Teufelskreis los, in dem seine Gedanken hin und her rasten. Er schaute auf.

An Herrn F. gewandt, der sie immer noch ansah, sagte nun Eva, deren langes dunkles Haar auf ihre Büste herabfiel, zitternd, voller Angst, doch von einer Macht getrieben, die sie nicht kontrollieren konnte: „Ich will, dass Sie mich ficken.

Jetzt.“ Eva hatte keine Ahnung, wie ihr dieser vulgäre Ausdruck über die Lippen kommen konnte. Sie wollte genau das, ja, doch sie durfte nicht sprechen… Ihr Körper spannte sich an, in Erwartung der angedrohten, wie auch immer gearteten Bestrafung.

Herr H. sah auf, schockiert, überrascht, fasziniert, erregt; er hielt den Atem an.

Herr F. aber war im Bruchteil einer Sekunde bei ihr, hatte sie auf den Schreibtisch gedrückt. An sie gepresst, so dass sie seine Härte an sich spürte; sein Atem streifte ihren Nacken, sagte er, die Stimme zu einem Flüstern gesenkt,

„Wann, wie- oder ob- Sie gefickt werden, hat Sie nicht zu interessieren. Sie werden nämlich nicht gefragt.“ Im nächsten Moment kniete sie auf dem Boden.

Sie wusste was er wollte. Und sie wollte es auch.

Sie nahm ihn, hart und groß, in den Mund; seine Hände hielten ihren Kopf fest. Ihre Hände waren auf den Rücken gebunden, ihre Kuppe hatte sie nach heraus gestreckt. Sie spürte Herrn H.

hinter sich. Im nächsten Moment drang er plötzlich in sie ein, so schnell, dass es wie wahnsinnig schmerzte, sich der Schmerz jedoch gleich in heiße Erregung wandelte. Sie stöhnte, schloss ihre Lippen noch fester um das heiße Geschlecht.

Ihrer beider Stöße kamen schneller und drangen tiefer… und sie wusste, beide Männer sahen sich an, teilten ihr Wissen, teilten die Erregung; sie war nur die Verbindung die das überhaupt möglich machte…

Als sie am Ende dieses Gedankens angekommen war, verlor sie beinahe die Besinnung…

5.

Eva saß zusammen gekauert in einer Ecke des Zimmers. Dort waren thailändische Sitzpolster um einen niedrigen, blankpolierten Tisch angeordnet. In einer Messingschale brannte duftendes Räucherwerk, Patchouli, Moschus, Jakutá. Der Rauch mischte sich mit dem von Evas Zigarette, welche sie ohne weiteres bekommen hatte.

Sie zitterte und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was hatte sie getan? WAS HATTE SIE GETAN? Scham durchflutete sie, verätzte ihr Inneres. Sünde! schrie ihr Verstand, Erfüllung, wimmerte ihr Herz. Sie hob leicht den Kopf.

Herr H. hatte schon lange den Raum verlassen, war davon gestürzt, nachdem er ihr die Zigarette angezündet hatte; seine Augen um Verständnis bettelnd. Sie hatte ihn einfach nur angesehen, kalt, doch liebevoll gleichgültig, wie eine Marienstatue in einer französischen Kirche. So kam es ihm jedenfalls vor.

In diesem Moment saß H.

in seinem Arbeitszimmer vor der riesigen Bücherwand am Flügel, immer und immer wieder die Apassionata spielend, die sich endlos um den Raum wand und ihn in ihre verwirrende Umarmung nahm. Er spielte, um nicht zu denken; er spielte, um nicht zu vergessen.

Oben, im Dunklen Zimmer, traf Evas Blick das mit schwarzer Seide überzogene Bett, welches die Mitte des Raumes einnahm. Die Vorhänge waren zur Seite gezogen und gaben den Blick frei auf F., dessen Oberkörper nackt war. Im Schein des flackernden Kerzenlichts erkannte man die fein ausgebildeten Muskeln; er hatte den Körper eines Athleten, während seine Haltung an eine Märtyrer erinnerte, der den Tod erwartet- anders als eine Märtyrer aber glaubte F., den Tod verdient zu haben.

Tränen rannen über sein Gesicht, rannen den Hals herab und vermischten sich mit dem Blut, dass aus dem gekreuzten Schnitt auf seiner Brust hervorquoll. In seiner Hand hielt er – die Bibel. Leise, für Eva unhörbar, rezitierte er daraus:

„Seine Augen sind wie eine Feuerflamme, und auf seinem Haupt viele Kronen; und er hatte einen Namen geschrieben, den niemand wusste denn er selbst“[1]

„Und der erste Engel posaunte: und es ward ein Hagel und Feuer mit Blut gemengt, und fiel auf die Erde (…).“[2]

Eva gab einen leisen Schrei von sich. Wann hatte er das getan? F.

reagierte nicht auf das Geräusch, verharrte reglos. Schuldgefühle tobten in ihm. Er hatte sein Tabu gebrochen. Er hatte Verlangen erzeugen, hatte Erregung zu entfachen gesucht.

Er hatte nicht lieben wollen.

F.

sah nicht, dass Eva auf ihn zukam. Sie trug nur noch Slip und Stiefel, war sich ihrer Blöße nicht bewusst. Langsam ließ sie sich auf das Bett nieder. Saß vor ihm.

Nahm den Dolch, der neben ihm lag und fuhr damit über ihre Haut, bis diese ebenfalls ein rotes, feuchtes Kreuz offenbarte. Das tat sie, ohne mit der Wimper zu zucken. F. starrte sie an.

Fassungslos. Seine Augen spiegelten ihren Schmerz, ihre Zärtlichkeit, ihr Vertrauen, ihre Angst.

Er verstand, und nahm das Opfer an, wie sie seines genommen hatte. Er lächelte, wischte ihr mit dem Finger eine Träne von der Wange, kostete sie. Dann griff er ihr ins Haar, zog daran und beobachtete, wie ihr Schauer über den Körper liefen.

Er legte ihr Bein um seine Hüfte, so dass sie näher bei ihm war. Dann zog er sie zu sich heran, bis sein Mund den ihren berührte, ihr Oberkörper den seinen, Blut und Blut sich mischte. Er öffnete ihre Lippen und drängte seine Zunge sanft in ihren halb geöffneten Mund. Er küsste sie langsam, schmerzlich langsam.

Eva seufzte.

Plötzlich löste sie sich von ihm. Er sah sie überrascht an, in beinahe angstvoller Erwartung. Doch schon lag sie halb auf ihm, ließ ihre Zunge, ihre Lippen, ihr Haar über seinen Körper gleiten. Er konnte nicht glauben, was sie dort tat.

Sie leckte sein Blut auf, als wäre es Honig. Bis auf den letzten Tropfen.

Er stöhnte. Zuerst kaum hörbar.

Sie besaß ihn nun, und er ergab sich ihr willenlos.

Irgendwann setzte er sich auf und schmeckte nun seinerseits. Sie. Eva.

Diese ließ ihn nicht lange gewähren. Sie streifte ihm das letzte Kleidungsstück herab.

Und nahm ihn.

Sie lagen in einander verschlungen, als H. hereinkam. Er betrachtete das schlafende Paar und lächelte. Dass es so sein könnte, habe ich nicht geahnt.

Und doch ist es richtig. So hat er es geschafft, was er wollte: Noch einmal zu lieben, bevor das Herz erfriert. Auf seine Art. Und sie ist die einzige die ihn das geben konnte, sie, nach der er so lange gesucht hat.

Immer noch lächelnd, verließ H. das Haus, in dem ein letztes Mal das sanfte Rauschen der Schwingen der Nacht zu hören war. Dann begann der Tag.

– Epilog –

„Eva! Hallo!! Geht’s Dir nicht gut oder was?!“ Die Angesprochene schüttelte sich. Sie saß auf einer Bank im hellen Sonnenschein.

Was war geschehen? War alles schon vorbei? Dann dämmerte ihr es: Ein Tagtraum, nichts weiter. Vor Enttäuschung konnte sie kaum atmen. Und vor ihr stand auch noch Daniel, ein Kommilitone, noch dazu einer, den sie nicht besonders mochte- doch Gott sei dank schien er es eilig zu haben.

„ Es ist nichts, danke, bin bloß eingeschlafen.“ Als er sie zweifelnd anschaute – man schlief normalerweise nicht einfach an einer dicht befahrenen Hauptstraße ein – fügte sie hinzu: „ Hab Party gemacht gestern Nacht, ist spät geworden!“ „Aha“, meinte Daniel, immer noch skeptisch die linke Augenbraue erhoben, als ob er sich fragte, ob sie noch ganz dicht wäre. Soll mir egal sein, dachte Eva, er hat ja Recht.

„Geht´s Dir wirklich gut?“ „Ja doch“, antwortete Eva leicht genervt, „Kein Problem“. „Gut, dann will ich mal! Pass auf dich auf, Kleine, ja?“ rief er, schon im Davon gehen. Kleine, dachte Eva wütend, während sie sich aufrappelte und ihr Rad aufnahm; Herr F. hätte das nie so gesagt…

ach, das weiß ich ja nicht mal. Es war alles… so real. Vor allem die überraschende Wende in allem.

Als sie begriffen hatte, dass Macht und Ohnmacht nur verschiedene Seiten einer Medaille sind.

Mitten in ihre Gedanken sprach sie jemand an.

„Frau N.! Was ist mit ihrem Rad passiert? Oder schieben Sie es etwa freiwillig durch diese höllische Hitze?!“ Eva schreckte auf. Vor ihr auf dem flirrenden Gehsteig stand Herr H., seines Zeichens Professor der Mathematik und der Angelistik an der Universität von M.


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